Ragnar Jónasson: Schneeblind | Rezension

Bühne frei für alte Geheimnisse.

Ari wusste nicht, was auf ihn zukommt, als er sich für eine Stelle bei der Polizei im rauen Norden Islands entschieden hat. Endlose Nächte, Einsamkeit, eine verschworene Dorfgemeinschaft, in der Neue erst ihren Platz finden müssen.

Kein leichter Start für den jungen Polizisten, der zu allem Überfluss kopfüber in einen alles andere als einfachen Fall stolpert. Ein alter Mann stürzt in den Tod. Ein Unfall, oder?

Doch bei seinen Ermittlungen stößt Ari schnell auf Widerstand. Denn schnell ist klar: Wenn es kein Unfall war, muss es jemand aus dem verschlafenen Fischerdörfchen gewesen sein. Und wie soll Ari Fragen stellen, ohne sich das halbe Dorf zum Feind zu machen, in dem sich die meisten Einwohner schon ihr Leben lang kennen? Doch leugnen lässt es sich nicht: Etwas Unheimliches geschieht im Dorf.

»Angst war nicht das erste Gefühl, das sie verspürte, sondern die Wut darüber, nicht bemerkt zu haben, dass etwas Seltsames in der Luft lag, dass jemand hinter ihr in der Dunkelheit stand.«

Wer Jónassons Hulda-Trilogie – ›Dunkel‹, ›Insel‹ und ›Nebel‹ – gelesen hat, kennt das besondere Gespür des Autors für Geheimnisse der Vergangenheit, glaubwürdige Charaktere und eine düstere Atmosphäre.

Doch so ideal sich das im Winter fast vom Rest der Welt abgeschnittene Fischerdörfchen auch als Schauplatz eines Verbrechens eignet, wirkt der Beginn der Dark-Iceland-ReiheSchneeblind‹ noch unausgereift. Vieles von dem, was Jónasson in der Hulda-Trilogie bereits meisterhaft ausgefeilt hat, ist hier bereits angelegt, doch steckt noch in den Kinderschuhen.

»Die Dunkelheit lastete über dem Dorf, als sie in den Fjord hineinfuhren.
Die Häuser mit ihren bunten Dächern waren in dieser Dunkelheit wie von einem Schleier überzogen, eine leichte Schneeschicht lag über den Gärten und Grashängen.«

Die Schicksale der Figuren erreichen nicht die gleiche menschliche Tiefe, wie der Autor dies sonst gezeigt hat. Auch der Spannungsbogen und die Kernthemen sind weniger ausgearbeitet oder facettenreich.

Nachdem ich die Hulda-Trilogie geradezu verschlungen habe, hatte es ›Schneeblind‹ auch wirklich schwer, mich zu überzeugen. Dennoch bin ich gespannt, wie sich der junge Polizist Ari im Verlauf der Reihe weiterentwickeln wird und ob der Autor mich im zweiten Band ›Todesnacht‹ wieder überzeugen können wird.

»Ein Gefühl von Schwermut hatte ihn überwältigt. Ein Gefühl, das immer schlimmer wurde, je dichter der Schnee fiel. Nichts war wahrscheinlicher, als dass die Wettergötter eine dicke Mauer um das Haus bauen würden, durch die er nie herauskommen könnte.«

Fazit zu ›Schneeblind

Schneeblind‹ entführt die LeserInnen in den Norden Islands zur Weihnachtszeit. Menschliche Schicksale verweben sich in dem kleinen Fischerdörfchen und wollen nach und nach aufgedeckt werden. Ich bin gespannt, wie es im zweiten Band der Dark-Icaland-Reihe weitergehen wird.

Buchinfo

Ragnar Jónasson:
Schneeblind

Dark-Iceland-Reihe, Band 1
Originaltitel: Snjóblinda (Verlag: Bjartur Veröld)
Thriller
Übersetzt von: Ursula Giger
btb, München 2022
352 S., EUR (D) 12,- inkl. MwSt.
Paperback, Taschenbuch
ISBN 978-3-442-77164-6

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Bewertung: 2.5 von 5.

Werke des Autors (Auswahl)

Dark-Iceland-Reihe
1. Schneeblind
2. Todesnacht
3. Blindes Eis
4. Totenklippe

Die Hulda-Helgi-Serie
Frost

HULDA-Trilogie
1. Dunkel
2. Insel
3. Nebel



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