Ragnar Jónasson: Dunkel | Rezension

Das letzte Aufbäumen einer abgeschriebenen Kommissarin.

Seit Jahrzehnten arbeitet Hulda Hermannsdóttir in ›Dunkel‹ für die Polizei. Doch obwohl sie besser ist als die meisten ihrer Kollegen, ist sie nie über den Rang einer Kommissarin hinausgekommen. Während Kollegen, die weit weniger gründlich und sorgsam arbeiteten, auf der Karriereleiter an ihr vorbeizogen. Doch diese hatten eines gemeinsam, dass Hulda nie sein würde, sie waren Männer.

Wie viele in ihrem Beruf erfüllt Hulda der Gedanke an ihre Pension mit Unbehagen.

Doch als ihr Chef ihr eines Morgens mitteilt, dass sie nicht erst zum Ende des Jahres in Pension gehen soll, sondern in zwei Wochen, erwischt es Hulda eiskalt. Man bräuchte ihr Büro. Man habe die Chance, einen vielversprechenden Aufsteiger anzustellen. Ihre Fälle seien bereits an die Kollegen verteilt worden. Doch so einfach lässt sich die 64-jährige Kommissarin nicht in den Ruhestand schicken.

Für ihre letzten zwei Wochen darf Hulda in ›DunkelCold Cases bearbeiten, auf die sie Lust hat. Und bald findet sie sich in einem Fall, der nicht nur jede Menge Fehler aufweist, sondern sie an ihre Grenzen bringen wird.

»Man hatte die Leiche der jungen Frau an einem dunklen Wintermorgen in einer felsigen Bucht am Vatnsleysuströnd gefunden, einem dünn besiedelten Küstenstreifen im Norden der Halbinsel Reykjanes etwa dreißig Kilometer südlich von Reykjavík.«

Hulda hat sich bei der Polizei stets ausgeschlossen und auf sich allein gestellt gefühlt. Am Ende nun so grob und plötzlich in den Ruhestand befördert zu werden, macht das nicht besser. Vielleicht fühlt sich die Kommissarin sich deswegen der toten jungen Frau schnell verbunden: Wenn Hulda nicht den Fall wieder für sie aufgreift, wird es niemand tun. Ihre Kollegen und auch die Öffentlichkeit haben mit ihrem Fall bereits abgeschlossen, genauso wie mit Hulda.

»Sie vermisste ihr altes Leben, die gute alte Zeit, und obwohl sie mit Pétur einen neuen Freund gefunden hatte, fühlte sie sich allein auf dieser Welt. Nie hatte sie das stärker empfunden als in diesem Augenblick.«

Die ›Hulda‹-Trilogie weist ein Merkmal auf, das sie stark von anderen Trilogien unterscheidet: Huldas Geschichte wird nicht chronologisch, sondern achronologisch erzählt. In ›Dunkel‹ erleben wir Hulda in ihrem letzten Fall, bevor der Ruhestand ihre Karriere beenden soll. In den Folgebänden ›Insel‹ und ›Nebel‹ hingegen erleben wir sie auf der Höhe ihrer Karriere in ihren prominentesten Fällen.

Bereits der erste Band ›Dunkel‹ macht deutlich, dass Hulda mehr ist als eine Kommissarin. Was sie vor ihrem Freund Pétur verbirgt, weiß auch niemand sonst auf dieser Welt. Nach und nach erzählt sie ihm von ihrer Kindheit, ihrem schwierigen Verhältnis zu ihrer Mutter und dem Tag, an dem sie ihre ganze Familie verlor.

»Aber hier war sie nun, allein mit ihrem Kind, und konnte nachts vor Sorge um die Zukunft kaum schlafen.«

Fazit zu ›Dunkel

Obwohl Hulda kein strahlender Sonnenschein ist, ist sie sympathisch, auf ihre eigene, in die Jahre gekommene Art, die sich selbst treu bleibt. Die Atmosphäre, die Jónasson in ›Dunkel‹ verdichtet, ist auf jeder Seite spürbar. Huldas Island ist düster, schön und geheimnisvoll.

Auch das Ende des ersten Bandes der Trilogie kann überraschen, ob auf eine gute oder schlechte Weise wird wohl jeder Leser und jede Leserin für sich selbst entscheiden müssen. Doch einst ist ›Dunkel‹ auf jeden Fall: spannend, auf eine düstere, unaufdringliche und ruhige Art.

Buchinfo

Ragnar Jónasson:
Dunkel

Die HULDA-Trilogie, Band 1
Thriller
Übersetzt von: Kristian Lutze
btb, München 2020
384 S., EUR (D) 15,- inkl. MwSt.
Paperback
ISBN 978-3-442-75860-9

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Bewertung: 4 von 5.

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