Neil Gaiman: Der Ozean am Ende der Straße | Rezension

Von einem Jungen und einem Mädchen, die an das Wundersame glaubten.

Für eine Beerdigung kehrt ein Mann in ›Der Ozean am Ende der Straße‹ an den Ort seiner Kindheit zurück. Nicht nur mit seinem Elternhaus verbindet er viele Erinnerungen, auch mit der Farm, auf der Lettie Hempstock lebte und dem Teich – der für sie ein Ozean war.

Doch die Erlebnisse in seiner Kindheit sind nur auf den ersten Blick jene, die viele Kinder teilen. Abenteuer im Wald, Geheimnisse mit neuen Freunden, Streit mit Eltern und Gehorsam.

Ängste, Ungehorsam und der Wunsch, von den Eltern geliebt und beschützt zu werden.

Einen Toten in einem Auto zu entdecken ist hingegen ein Erlebnis, das zum Glück nicht alle Kinder teilen. Ebenso wenig das Geschöpf, das sie im Wald erwartet und so seinen Weg in das Zuhause des Mannes findet, denn kurz danach wird eine attraktive Frau als Kindermädchen für den Jungen und seine Schwester eingestellt. Doch bald schon ist sie mehr als nur ein Kindermädchen.

»Hier war ich doch schon einmal gewesen, oder, vor langer Zeit? Eigentlich war ich mir sicher. Kindheitserinnerungen liegen manchmal unter den Dingen verborgen, die später passiert sind, wie Spielzeug, das vergessen auf dem Boden eines Kleiderschranks liegt, aber nie ganz verloren ist.«

Sein Vater beginnt mit ihr eine Affäre. Nur der Junge scheint wahrzunehmen, dass etwas mit der attraktiven Frau nicht stimmt, die ihn davon abhalten will, das Haus zu verlassen. Auch, wenn sie seinem Vater dafür Lügen erzählen muss. Der Junge will nichts mehr, als die Frau loswerden und mit Lettie sprechen, die ihm als einzige helfen kann.

»Ich fragte mich, warum sie alle Hempstock hießen, diese Frauen, aber ich fragte nicht danach, ebenso wenig wie ich mich getraute zu fragen, woher sie wussten, was in dem Abschiedsbrief stand oder was der Opalschürfer gedacht hatte, als er gestorben war. Sie redeten darüber, als wäre das alles völlig normal.«

Die magische und phantastische Wahrnehmung des Jungen vermischt sich mit den Erlebnissen seiner Kindheit. Während in seinem Elternhaus niemand wahrzunehmen scheint, was im Ort geschieht, weiß Letties Familie mehr. Magie scheint in dem Haus zu pulsieren. Der Glaube an Dinge, die für andere nur Aberglaube oder unvorstellbar sind.

Doch wie soll es einem Kind gelingen, das Geschöpf aus seinem Haus zu vertreiben und seine Familie vor ihm zu beschützen? Und welche Ängste ist im Stande, dafür auszustehen?

»Während wir altern, werden wir zu unseren Eltern; wenn man lange genug lebt, sieht man die Gesichter seiner Jugend wieder. Ich erinnerte mich an Mrs. Hempstock, Letties Mutter, als eine stämmige Frau. Diese Frau war dürr und zierlich.«

Neil Gaiman gelingt es in ›Der Ozean am Ende der Straße‹ eine Geschichte zu schreiben, die sowohl den Zauber des Kindseins einfängt als auch dem Wunderbaren und Magischen einen festen Platz einräumt. Das Buch ist wundervoll von Elise Hurst illustriert, sodass die Buchseiten auf mehrere Arten zugleich zum Leben erwachen.

Zugleich wird das Kindsein ernstgenommen wie selten in einer Geschichte. Und während der Junge mit all den Einschränkungen seiner Kindheit kämpfen muss, ist er in anderen Bereichen doch viel freier als es zum Beispiel sein Vater zu sein scheint. Wem ›Der Ozean am Ende der Straße‹ gefallen hat, sollte einen Blick auf Gaimans andere Werke werfen wie ›Nordische Mythen und Sagen‹.

Fazit zu ›Der Ozean am Ende der Straße‹

Der Ozean am Ende der Straße‹ ist ein wunderschönes, teils düsteres Buch über das Kindsein, das Wundersame, Familie und dem Kampf, die eigenen Ängste zu überwinden. Als großer Neil Gaiman-Fan musste ich das Buch natürlich lesen und die wunderschön illustrierte Ausgabe hat mich definitiv von sich überzeugt.

Buchinfo

Neil Gaiman:
Der Ozean am Ende der Straße

illustriert von Elise Hurst
aus dem Englischen von Hannes Riffel
Eichborn, Köln 2021
336 S., EUR (D) 24,- inkl. MwSt.
Hardcover
Altersempfehlung: ab 14 Jahren
ISBN 978-3-8479-0071-9

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Bewertung: 4.5 von 5.

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