Peter-André Alt: Exzellent!? Zur Lage der deutschen Universität | Rezension

Universität als Krise und Chance.

An einer deutschen Universität studieren zu können, ist ein Privileg und für viele ausländische Studierende ein großer Traum. Deutschland wird im internationalen Vergleich als sogenannter Bildungsstandort wahrgenommen, ein Gütesiegel, das dem »Made in Germany« der Industrie gleichkommt. Bildung aus und in Deutschland ist im Trend und erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit. Und warum auch nicht?

Schließlich rangierten im Jahr 2021 zwölf deutsche Universitäten im alljährlichen QS TopUniversities Universitäts-rankig unter den besten 200 Universitäten der Welt.

»In der Forschung sind deutsche Universitäten europaweit führend und weltweit absolut konkurrenzfähig, als Partner für außeruniversitäre Spitzeninstitute und die Wirtschaft gleichermaßen attraktiv, wachsend erfolgreich bei der Drittmittelgewinnung, der Einwerbung renommierter Preise und der Förderung ihres akademischen Nachwuchses.«

Ist doch alles in Ordnung könnte man meinen. Nun, nicht ganz. Denn das ist der Blick von außen auf die Universitäten. Schaut man sich die Lage von innen an, zeichnet sich ein etwas anderes Bild, das die Frage eröffnet: Stehen wir kurz vor einer Bildungskatastrophe? Oder sind wir nicht sogar schon mittendrin?

Den Blick nach innen hat der Literaturwissenschaftler und Präsident der Hochschulkonferenz Peter-André Alt in seinem Buch ›Exzellent?! Zur Lage der deutschen Universität‹ eingenommen. Und das macht er mit einer fast pedantischen Genauigkeit. Dabei geht er nicht nur dialektisch vor, sondern immer innerhalb eines Dreischritts. So ist das Buch in drei große Aspekte eingeteilt.

»Es bietet im ersten Kapitel einen historischen Rückblick auf die Reform der deutschen Universität seit den sechziger Jahren, um, daraus abgeleitet, eine klare Sicht auf die aktuelle Lage im zweiten und eine Analyse der in ihr schlummernden Gestaltungschancen im dritten Kapitel anzubieten.«

Darüberhinaus beschreibt Alt seine Arbeitsweise, durch die er zunächst historisch rückblickend vorgeht, um dann im zweiten Schritt analytisch fortzufahren und dafür auf empirische Befunde und Statistiken zurückzugreifen. ›Exzellent?! Zur Lage der deutschen Universität‹ möchte, so Alt, neben der Darstellung der Probleme einen Ausblick geben, wie Universität in Zukunft gelingen kann. Damit vollzieht sich der dritte Schritt.

»Das vorliegende Buch möchte die universitären Aufgaben und Optionen, wie sie sich gegenwärtig und künftig eröffnen, genauer beschreiben, als das sonst üblich ist.«

Und diese Genauigkeit, die Alt hier unter Beweis stellt, setzt sich von dem ab, was man sonst zumeist als Pauschalurteil über das Wohlergehen der Universitäten liest. Alt beginnt seine Analyse mit einer historischen Darstellung. Dazu nimmt er Bezug auf frühere Problemanalysen von Helmut Schelsky (1963), Georg Picht (1964) und Ralf Dahrendorf (1965). Alt unterzieht die angesprochenen Probleme und Möglichkeiten, die die drei Autoren benennen, einer genauen Untersuchung und nimmt darüberhinaus mit eigenen Überlegungen Stellung.

»Hier war ein bildungspolitischer Gestaltungswille am Werk, der Liberale und Sozialdemokraten in diesen Jahren gleichermaßen antrieb. Er zielte auf eine umfassende Expansion des Schul- und Hochschulsystems, ohne die Chancenparität in einer modernen Gesellschaft nicht möglich war.«

Alt spannt in ›Exzellent?! Zur Lage der deutschen Universität‹ einen großen Bogen in seiner Kritik und nimmt dabei nicht nur die Universität als Bildungsstandort ins Visier,  sondern auch die für die aktuelle Lage verantwortliche Politik, genauer die neoliberale Wissenschaftspolitik. Denn das, was wir heute in der Universität erleben, sind die Ausläufer einer auf Wettbewerb zielenden Strukturierung, die sich vor über 30 Jahren etabliert hat.

»Aus der bildungspolitischen Krisendiagnose der frühen sechziger Jahre folgte eine enorme Handlungsdynamik, die den Ausbau der Universitäten in Gang setzte. Bund und Länder zeigten sich zu einem kooperativen Föderalismus fähig, den viele Skeptiker kaum für möglich gehalten hatten.«

Was zunächst wie ein frischer Wind erschien, musste der Ernüchterung weichen. Denn aus dem Aktionismus wurde schnell harte Realität für Studierende und Lehrende. Ob Bologna-Reform, Massenbetrieb, Drittmitteleinwerbung oder die kürzlich durch den #IchbinHanna viral gegangene Problematisierung des Wissenschaftszeitvertrags-gesetzes – all das sind Probleme, die sich politisch entwickelt haben und durch die angehende Wissenschaftler:innen immer wieder ins Straucheln geraten.

»Die Universität des 21. Jahrhunderts ist zu einer komplett vermessenen und ausgezählten Einrichtung geworden, mit gefährlichen Effekten für ihre eigentliche Mission in Lehre und Forschung.«

Im dritten und letzten Kapitel von ›Exzellent?! Zur Lage der deutschen Universität‹ gewährt Alt den Leser:innen einen Ausblick, wie sich gute Universität trotz der Vielfalt ihrer Aufgabenstellung bewerkstelligen lässt.

»Universitäten sollen Orte akademischer Freiheit sein, denn Freiheit ist Bedingung guter Wissenschaft. So einfach diese Formel klingt, so schwierig bleibt, wie man sehen konnte, ihre Umsetzung. Universitäten begreifen sich heute nicht nur als Institutionen, die Schutzräume für Autonomie schaffen. Der modernen Gesellschaft gegenüber stehen sie in der Verantwortung, die ihnen anvertrauten Gelder transparent, leistungsorientiert und sachgerecht auszugeben.«

Fazit zu ›Exzellent!? Zur Lage der deutschen Universität

›Exzellent?! Zur Lage der deutschen Universität‹ ist sicher keine leichte Lektüre. Wenn man sich jedoch auf das Thema einlässt, wird man mit einem eindrücklichen und kritischen Blick hinter die Kulissen belohnt, der mehr zeigt, als es gewöhnlich der Fall sein dürfte und der durchaus auch auf die Unwägbarkeiten des Universitätsbetriebs vorbereitet.

Buchinfo

Peter-André Alt:
Exzellent!?

Zur Lage der deutschen Universität
C. H. Beck, München 2021
297 S., EUR (D) 19,99 inkl. MwSt.
e-Book
ISBN 978-3-406-77690-8

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