Drei Frauen, drei Kämpfe, ein Zopf.
Für manche Frauen ist ihr Haar das wertvollste, das sie besitzen. Für andere sind es in ›Der Zopf‹ die Traditionen des seit Generationen bestehenden Familienbetriebs oder die eigene sprunghafte Karriere.
Doch was passiert, wenn der Mensch im Begriff ist, sein Wertvollstes zu verlieren? Wenn es ihm genommen wird und er es nicht halten kann oder nur durch große Veränderungen? Und was, wenn er sogar freiwillig bereit ist, es aufzugeben?
Smita aus Badlapur in Indien, Giulia aus Palermo in Sizilien und Sarah aus Montreal in Kanada haben auf den ersten Blick wenig miteinander gemeinsam. Smita arbeitet als Unberührbare, wird gemieden und lebt mit ihrer Familie außerhalb der Gesellschaft. Durch eisern erspartes Geld wollten sie und ihr Mann ihrer Tochter den Besuch einer Schule und somit ein besseres Leben ermöglichen. Doch Smitas Beruf wird von Generation zu Generation weitergegeben. Und das soziale Stigma und die damit verbundenen Hürden wollen ihre Tochter nicht loslassen.
»Mit gesenktem Blick, das Gesicht hinter einem Tuch verborgen, hält sie sich am Straßenrand. In manchen Dörfern müssen sich Dalits eine Rabenfeder anstecken, damit man sie erkennt. In anderen verlangt man, dass sie barfuß laufen.«
Giulias Leben ist weit von Smitas entfernt. Die junge Frau ist belesen, gebildet und nicht auf den Mund gefallen. Sie liebt die Arbeit in der Fabrik ihres Vaters, die ihr längst ins Blut übergegangen ist. Doch nach einem Unfall ihres Vaters steht nicht nur sein Leben auf dem Spiel, sondern auch die Zukunft seiner Familie und der Fabrik.
»Seit fast einem Jahrhundert lebt ihre Familie von der Cascatura, einem alten sizilianischen Brauch, der darin besteht, Haare, die ausfallen oder abgeschnitten werden, zu sammeln, um später Toupets oder Perücken daraus zu machen. Giulias Urgroßvater gründete die Lanfredi-Werkstatt im Jahr 1926, heute ist das Unternehmen eines der letzten seiner Art in Palermo.«
Sarahs Leben und Arbeit gleichen weder Smitas noch Giulias. Sie ist eine Karrierefrau, hat es auch eigener Kraft in Rekordzeit nach oben geschafft. Sie lebt für ihre Arbeit und hat ihr gesamtes Leben danach ausgerichtet, in der Arbeit die besten Leistungen bringen zu können. Sarah und ihre Familie sind dabei für ihre Kollegen kaum sichtbar gewesen. Doch ein Besuch beim Arzt und eine Diagnose ändern alles. Doch mehr noch als die Krankheit selbst sind es ihre Kollegen, die Sarah aus der Bahn werfen.
»Sarah kannte ehrgeizige Männer dieses Schlags zur Genüge, Männer, die Frauen hassten, weil sie sich von ihnen bedroht fühlten, sie umgab sich mit ihnen, allerdings ohne gesteigerten Wert darauf zu legen. Sie bahnte sich ihren Weg und ließ sie am Straßenrand zurück.«
So unterschiedlich die Geschichten der drei Frauen in ›Der Zopf‹ auch sein mögen, haben sie doch vor allem eines gemeinsam: Sie haben sich nicht unterkriegen lassen und gekämpft. Smita für ihre Tochter, Giulia für die Fabrik der Familie, Sarah für eine gerechtere Zukunftsaussicht.
Colombani gelingt es in ›Der Zopf‹, die Persönlichkeiten der drei Frauen bereits nach wenigen Seiten zum Leben zu erwecken. In ihrer Besonderheit, in ihren Stärken und Schwächen, in ihren schweren und starken Augenblicken. Sie alle versuchen, sich von den Grenzen und Regeln der ihnen bekannten Welt und Gesellschaft nicht niederringen zu lassen. Sie fordern einen Platz für sich und ihre Liebsten und sind bereit, sich den Hürden zu stellen.

Fazit zu ›Der Zopf‹
Drei Leben sind es, die Colombani in ihrem Roman ›Der Zopf‹ miteinander verbindet. Auf eine Art, die nicht einmal die drei Protagonistinnen so zu sehen bekommen, wie es Colombani ihren Lesern und Leserinnen ermöglicht. ›Der Zopf‹ ist einer jener Romane, über die man sich spannend mit anderen austauschen kann. Auf Colombanis 2020 erschienenen Roman ›Das Haus der Frauen‹ darf mit Spannung geblickt werden.
Buchinfo

Laetitia Colombani:
Der Zopf
Roman
Übersetzt von: Claudia Marquardt
Fischer Verlag, Frankfurt a. M. 2018
286 S., EUR (D) 20,- inkl. MwSt.
gebunden mit Schutzumschlag
ISBN 978-3-10-397351-8
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