Vom Ende und vom Anfang der Götter.
Spätestens seit der Verfilmung der Marvel-Comics sind Thor, Loki, Odin und weitere Vertreter der nordischen Götter wieder im Bewusstsein von vielen. ›Nordische Mythen und Sagen‹ erscheint somit zur passenden Zeit.
Doch schon mit der ›Edda‹ liegen literarische Werke vor, die in altisländischer Sprache über die Götter und Helden erzählen: von Odin, Loki, Balder und vielen weiteren, zum Teil heute noch bekannten Figuren der Welt der nordischen Mythen.
Zwischen den Schriften der ›Edda‹ und den Comics von Marvel liegen viele, viele Jahrhunderte. Wie lange die mündliche Überlieferung der Geschichten der nordischen Götter zuvor bereits existiert hat, weiß vielleicht nur Odin selbst. Doch auch in den Jahrhunderten zwischen der Verschriftlichung der ›Edda‹ und der Wiederauferstehung der nordischen Götter durch Tom Hiddleston, Chris Hemsworth und Anthony Hopkins war es um die Götter nicht still.
›Myths of the Norsemen: Retold from the Old Norse Poems and Tales‹ von Roger Lancelyn Green, erschienen im Jahre 1960, und Werke des 1941 geborenen Autors Kevin Crossley-Holland über die nordische Mythologie haben nicht nur Neil Gaiman tief beeindruckt.
Es gibt selten Bücher, bei denen ich mich bereits in die Einleitung verliebt habe. Neil Gaiman ist das mit ›Nordische Mythen und Sagen‹ gelungen. Eine Wirkung, die auch im Verlauf des knapp 250 Seiten langen Buches nicht nachließ.
»Odin und Vili und Ve töteten den Riesen Ymir. Es musste geschehen, denn es gab keine andere Möglichkeit, die Welten zu erschaffen. Dies war der Anfang von allem, der Tod, der alles Leben möglich machte.«
Neben der Wiedergabe der alten, nordischen Geschichten gelingt es Gaiman in ›Nordische Mythen und Sagen‹, weit mehr als den Inhalt der Geschichten wiederzugeben: Er gibt die Faszination für sie weiter. Möglichst zugänglich, spannend und greifbar geschrieben, können die Geschichten der alten Götter durch ihn Leser von heute ohne Vorwissen und besondere Sprachkenntnisse erreichen und abholen in eine Welt, die noch anderen Gesetzen folgte.
»Thor sagte nichts. Er dachte an den vergangenen Abend, daran wie er mit dem hohen Alter gerungen und den Ozean getrunken hatte. Er dachte an die Midgardschlange.«

Neil Gaiman legt mit ›Nordische Mythen und Sagen‹ keine historisch-kritische Version der ›Edda‹ vor, sondern eine Nacherzählung von Geschichten, die spannend sein und unterhalten will, und dennoch den alten Göttern der nordischen Welt nah bleibt. Von Ymir bis zu Ragnarök und über all die Gestalten, die ihre Welt bevölkern.
Einige der 15 Geschichten des Buches zeichnen sich durch Witz und Humor aus, wie die Geschichten, wie Sif ihr Haar verliert oder Thor seinen Hammer. Andere hingegen werden durch Spannung und Tragik getragen, wie die Geschichten, wie Höd seinen Bruder verliert oder Tyr seine Hand.
»Die Tatsache, dass diese Welt und ihre Geschichten enden würden, und die Art, wie sie eines Tages enden und neu entstehen sollten, machte die Götter und die Riesen und alle anderen Figuren zu tragischen Helden und zu tragischen Schurken.«
Fazit zu ›Nordische Mythen und Sagen‹
Doch eines eint die Geschichten von Neil Gaiman, obwohl ihnen allen eine Art Ende innewohnt: Sie sind voller Leben und begeistern für ›Nordische Mythen und Sagen‹. Wer Neil Gaiman mag, kann gerne mal einen Blick in ›Der Fluch der Spindel‹ oder ›Der Ozean am Ende der Straße‹ werfen.
Buchinfo

Neil Gaiman:
Nordische Mythen und Sagen
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt
von André Mumot
Eichborn Verlag, Köln 2019
253 S., EUR (D) 14,- inkl. MwSt.
Paperback
Altersempfehlung: ab 16 Jahren
ISBN 978-3-8479-0667-4
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Werke des Autors (Auswahl)
Coraline
Das Graveyard-Buch
Der Fluch der Spindel
Der Ozean am Ende der Straße
Kunst ist wichtig
Nordische Mythen und Sagen
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