Es gibt Bücher, die gewinnen mich schon nach der ersten Seite für sich. So ging es mir mit ›Goldene Flammen‹ von Leigh Bardugo, das ich in kürzester Zeit verschlungen habe. Auch ›Eisige Wellen‹ habe ich wirklich gerne gelesen, doch hat mich der 2. Band der Reihe ›Legenden der Grisha‹ nicht darauf vorbereitet, wie sehr ich den 3. Band ›Lodernde Schwingen‹ mögen würde. Hatte ich schon nach dem 1. Band keine Zweifel mehr daran, dass Leigh Bardugo eine begnadete Schriftstellerin ist, würde ich mittlerweile jedes Buch von ihr ohne zu zögern lesen.
Bardugos Bücher sind düster, ihre Welten voller Gefahren, Geheimnisse und Abgründe. Und in diesem düsteren Setting können nicht nur charmante Nebencharaktere strahlen.
Nach dem 2. Band ›Eisige Wellen‹ liegt die Welt der Grisha, wie die Lesenden sie kannten, in Trümmern. Sowohl der Dunkle als auch Alina sind nur knapp ihrem Tod entronnen. Viele andere hatten dieses Glück nicht. Doch während der Dunkle die Zeit danach genutzt hat, um den Thron des Zaren für sich zu beanspruchen, lebt Alina tief unter der Erde, weggesperrt vom Sonnenlicht. Doch Alina hat etwas in ›Lodernde Schwingen‹, das der Dunkle nicht hat: Freunde, die ihr helfen wollen, sich zu befreien.
»Das Ungeheuer heißt Izumrud, und manche sagten, es habe die Gänge unterhalb von Ravka geschaffen. Von einem unersättlichen Hunger getrieben, habe dieser gewaltige Wurm Schlick und Gestein verschlungen, sich immer tiefer gebohrt, bis er zu weit vorgedrungen sei und sich am Ende in der Finsternis verirrt habe.«
Dabei ist Alina Starkov in ›Lodernde Schwingen‹ im Besitz zweier Kräftemehrer. Obwohl die junge Frau spürt, dass diese sie verändern und ihr Wunsch, den dritten Kräftemehrer an sich zu bringen, nicht nur positiven Ursprungs ist, kann sie die Suche nicht aufgeben. Auch der Dunkle lässt ihr keine Ruhe, ihr bleibt kaum genug Zeit, ihre Verbündeten um sich zu sammeln.
Doch spätestens nach dem 1. Band ist klar, dass Freunde und Verbündete oft nur schwer von Feinden und Verrätern zu trennen sind. Es gibt wenige in ›Lodernde Schwingen‹, auf die sich Alina glaubt, verlassen zu können, doch diese wenigen haben es in sich. Und hinter den Geschehnissen um Alina wird eine weitere Geschichte in ihren Ansätzen freigelegt: die Geschichte einer Familie, aus der ein Mann wie der Dunkle hervorgehen konnte.
»Er hatte um diesen Thron gekämpft, hatte Hunderte von Jahren gefochten und gedient, um ihn endlich für sich beanspruchen zu können. Ich musste zugeben, dass er wie geschaffen dafür war.«
Fazit zu ›Lodernde Schwingen‹
Wer also wissen will, wie es im Kampf um Ravka weitergeht, wie der richtige Name des Dunklen lautet und wie ein Prinz, der sein Leben lang keine Not kannte, doch noch lernen muss, was Hunger ist, der sollte den finalen Band der Trilogie der ›Legenden der Grisha‹ unbedingt lesen. Es wird spannend!
Buchinfo
Leigh Bardugo: Lodernde Schwingen Roman Legenden der Grisha, Band 3 Übersetzt von: Henning Ahrens Knaur, München 2020 432 S., EUR (D) 12,99 inkl. MwSt. Taschenbuch ISBN 978−3−426−52446−6
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Ein Mann wird zu einer Strafe von vier Jahren verurteilt, weil er Brot geklaut hat und dabei eine Scheibe eingeschlagen hat. Das Leben als Galeerensträfling ist hart – mehrmals versucht der Mann namens Jean Valjean in ›Les Misérables‹ zu fliehen und wird erwischt. Aus den vier Jahren wird eine Haftstrafe von insgesamt 19 Jahren.
Doch auch nachdem Valjean seine Strafe verbüßt hat, ist er kein freier Mann. Er muss sich an jedem Ort melden, an den er kommt. Seine Papiere brandmarken ihn als gefährlichen Ex-Sträfling. Trotz des Geldes, das er mühsam auf den Galeeren gespart hat, findet er keine Unterkunft und niemand, der ihm etwas zu Essen verkaufen möchte. Erst als er an das Haus des Bischofs Myriel von Digne gelangt, den Valjean durch seine sparsame Lebensweise nicht als solchen erkennt, bekommt er Essen und einen Schlafplatz. Doch Jean Valjean weiß, dass er wieder in die Welt hinaus muss und beschließt, das wenige Silber im Haus des Bischofs zu stehlen.
Valjean, der sein Glück mittlerweile kennen müsste, wenn er versuchte, eine Straftat zu begehen, wird erwischt und wieder in das Haus des Bischofs gebracht. Doch Myriel von Digne reagiert auf Valjeans Diebstahl auf eine Art, die Valjeans gesamtes Leben verändern wird.
»Gegen die Frauen und gegen die Armen, auf denen das Unrecht der Gesellschaft am schwersten lastete, war er stets nachsichtig. ›Die Sünden der Frauen, der Kinder, der Bedienten, der Schwachen, der Elenden und der Unwissenden‹, sagte er, ›sind immer die Schuld der Männer, der Eltern, der Brotgeber, der Starken, Reichen und Wissenden.‹«
Jean Valjean ist einer von jenen, nach denen dieser Roman benannt ist: ›Les Misérables‹ – ›Die Elenden‹. Menschen, die nicht das Glück haben, in ein wohlhabendes Haus geboren zu sein, sondern mit den erdenklich schlechtesten Startbedingungen auf diese Welt kommen, die keine sichere ist. Jean Valjean ist in diesem Strudel, der ihn weiter hinab reißt. Er stahl Brot, wurde zum Sträfling und damit zu einem von der Gesellschaft ausgeschlossenen. Als ein solcher stiehlt er nicht mehr nur Brot, sondern Silber.
»Wenn die Seele in Dunkelheit schmachtet, ist sie der Sünde zugänglich. Nicht der ist schuldig, der die Sünde begeht, sondern der die Finsternis erzeugt hat.«
Ähnlich ergeht es den anderen Figuren in Victor Hugos Roman ›Les Misérables‹. Der jungen und schönen Fantine, der frechen und mutigen Eponine, dem kleinen Gavroche. Victor Hugo gelingt es, eine Welt um diese zu erschaffen, die berührt und in der ›die Elenden‹ in all ihrer Menschlichkeit sichtbar werden. Er zeigt sie verstrickt in ihre sozialen Umstände, die sie einengen und denen sie immer wieder bereit sind, etwas Leben abzutrotzen.
Die Zeit, in der der Roman ›Les Misérables‹ ist eine, in der sich ein Umbruch ankündigen will. 1815 setzen die Geschehnisse ein und begleiten die Figuren bis 1832.
»Es war schwer, sich einen herabgekommeneren Menschen als diesen vorzustellen. Er war von mittlerem Wuchse, stämmig, und bei Kräften. Sein Alter hätte man mit sechsundvierzig oder achtundvierzig Jahren angeben können.«
Fazit zu ›Les Misérables‹
Obwohl mehr als eineinhalb Jahrhunderte vergangen sind, seitdem Hugo diesen Roman veröffentlicht hat, sind die Kämpfe der Protagonisten nicht verstaubt. Er lädt den Leser ein, diese ›Elenden‹ bei dem Versuch zu begleiten, über sich hinauszuwachsen, in einer Zeit, die von Hunger und Armut geprägt war. Eine definitive Leseempfehlung! Mehr zu Klassikern findet sich in meinem Post ›Klassiker, die mich wirklich überrascht haben‹.
Buchinfo
Victor Hugo: Les Misérables / Die Elenden (1862) Übersetzer/in Edmund Th. Kaur Aufbau Taschenbuch, Berlin 2000 608 S., EUR (D) 14,00 inkl. MwSt. Roman, Broschur ISBN 978−3−7466−1700−8
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Wenn die bekannte Welt nur aus dem besteht, was sich innerhalb dreier, riesenhafter Mauern befindet, ist jedes Stück davon kostbar. Nur wenige trauen sich in ›Attack on Titan Deluxe Edition Band 6‹, die Mauern zu verlassen. Und von diesen kommen oft nur wenige zurück.
Als die Menschen des Bezirks Shiganshina miterleben müssen, wie ein Wesen, größer als alles, was sie bisher gesehen haben, ein Loch in die äußerste Mauer tritt, endet diese bekannte Welt. Durch das Loch strömen Titanen hinein. Riesige, menschenähnliche Kreaturen, die scheinbar nur ein Ziel kennen: zu fressen.
»Da wurde mir zum ersten Mal klar, dass ich nicht frei war. Ich erkannte, dass ich die ganze Zeit in einem Vogelkäfig gelebt hatte.«
Der junge Eren muss mitansehen, wie seine Mutter vor seinen Augen gefressen wird, während er nichts tun kann, um ihr zu helfen. Nur der Wunsch, jeden einzelnen Titanen zu vernichten, treibt ihn an, weiterzuleben. Der Bezirk innerhalb der äußersten Mauer ist verloren. Um Shiganshina zurückzugewinnen, treten Eren und seine beiden Kindheitsfreunde dem Aufklärungstrupp bei: die Gruppe all jener, die es noch wagen, die Mauern zu verlassen und gegen die Titanen zu kämpfen.
Mit der Deluxe-Edition legt ›Carlsen‹ nun eine Version des Mangas vor, die dem bibliophilen Leser gefallen wird: Das Hardcover mit geradem Rücken und Fadenheftung macht auch nach mehrfachem Lesen noch einen tollen Eindruck. Damit der Leser jedoch zugleich nicht auf die Mangacover der im Hardcover zusammengefassten Bände verzichten muss, sind auch diese farbig illustriert in den Band mit aufgenommen. Somit kann nicht nur der Innenteil des Manga- und Anime-Hits überzeugen: Die Deluxe-Edition von ›Attack on Titan‹ vereint meiner Meinung nach das Beste aus den Einzelbänden mit den Vorzügen eines hochwertigen Sammelbandes.
›Attack on Titan‹ besticht durch unvorhergesehene Wendungen, die zugleich fest mit der Geschichte verwoben sind. Durchdachte Kampfmethoden kombiniert mit überzeugenden menschlichen Schicksalen, die unter die Haut gehen. ›Attack on Titan‹ hält viele ›Oha‹- und ›Wow‹-Momente bereit, die nicht nur für den klassischen Anime- und Manga-Fan spannend sind. Die ausgeklügelte Geschichte um Eren und seine Freunde wird von Band zu Band spannender und in dem vorliegenden ›Attack on Titan Deluxe Edition Band 6‹ darf mit einigen lang ersehnten Ereignissen und zugleich neuen Rätseln gerechnet werden.
Wer bislang nur den Anime kennt, dem kann ich den Manga nur ans Herz legen. Zwar ist die Handlung stark aufeinander bezogen, doch die ein oder andere Hintergrundinformation, oder Dinge, die auffallen können, da der Manga stärker eine eigene Lesegeschwindigkeit ermöglicht als der Anime eine Schaugeschwindigkeit, sind es wert.
»Wegen der neuesten Geschehnisse ist das völlig in den Hintergrund gerückt, aber wer ist dieser Feind eigentlich, gegen den wir da kämpfen?«
Fazit zu ›Attack on Titan Deluxe Edition Band 6‹
Wer die Bände 1–15 schon kennt, bereits im Anime weit genug ist, oder keine Angst vor Spoilern hat, kann gerne am Ende der Rezension auch eine nicht spoilerfreie inhaltliche Auseinandersetzung mit ›Attack on Titan Deluxe Edition Band 6‹ finden. Aber: Wer ›Attack on Titan‹ noch nicht kennt, dem sei auf jeden Fall empfohlen, mit dem ersten Band zu beginnen. Entweder in Form des Mangas – durch den 1. Band der Deluxe-Edition oder den Einzelbänden – oder in Form des Animes.
Buchinfo
Hajime Isayama: Attack on Titan Deluxe 6 beinhaltet die Bände 16–18 Carlsen, Hamburg 2020 564 S., EUR (D) 25,00 inkl. MwSt. Hardcover, Manga Ab 16 Jahren ISBN 978−3−551−74108−0
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Von klein auf haben die Waisenkinder Alina und Mal einen Wunsch: beieinander zu sein. Sie leben in einer Welt, in der Krieg und Magie herrschen und die zum Teil durch eine riesige Schattenflur überzogen ist. Und die Freundschaft der beiden wird in ›Goldene Flammen‹ auf die Probe gestellt.
Waise, Kartenzeichnerin und meistens fehl am Platz: Alina Starkov fühlt sich selten wohl in ihrer Haut. Auch unter Menschen scheint sie selten dazuzugehören – nur bei ihrem besten Freund Mal kennt sie dieses Gefühl.
Doch als die beiden älter werden und Mal sich zu einem attraktiven jungen Mann entwickelt, hat er nur Augen für andere Frauen. Alina, auch »Besenstiel« genannt, kann in ›Goldene Flammen‹ dabei nur zusehen.
»Die Diener nannten sie Malenchki, Geisterchen, denn die Kleinsten und Jüngsten suchten das Haus des Herzogs heim wie kichernde Phantome, rannten durch die Zimmer, versteckten sich in Schränken, um zu lauschen, und stahlen die letzten Pfirsiche des Sommers aus der Küche.«
Als die beiden Kindheitsfreude im Zuge ihrer Ausbildungen zur Kartenzeichnerin und zum Fährtenleser die von Volkra bewohnte Schattenflur durchqueren müssen, verändern sich die Leben der beiden grundlegend: Alina schützt ihren Freund Mal durch Kräfte, die sie bislang nicht einmal erahnt hat. Sie verlassen die Schattenflur wieder und Alina Starkov wird einem Mann übergeben, der sich »Der Dunkle« nennt. Er ist der Anführer der Grisha und zählt zu den mächtigsten Männern im Reich.
»Die Volkra waren blind, weil sie seit Generationen auf der Schattenflur lebten und jagten, aber sie konnten Menschenblut angeblich schon aus weiter Ferne wittern.«
Und ausgerechnet die als mager und hässlich verlachte Alina, mit ihren dunklen Augenringen und den hageren Ärmchen soll Kräfte besitzen, für die sich ein solcher Mann interessiert? Nicht, wenn man Alinas Einschätzung ihrer selbst glauben darf.
Doch der Dunkle macht sich in ›Goldene Flammen‹ ein eigenes Bild von ihr und wird zu ihrem Mentor. Sie reisen zum Hof des Zaren und Alina wird in die Reihen der Grisha aufgenommen: wunderschöne Frauen und Männer, die der Magie mächtig sind. Ein Blick in den Spiegel genügt für sie, um das Gefühl zu haben, dass sie wieder nicht hineinpasst. Bis zu dem Tag, als ihre Kräfte wieder aus ihr hervorbrechen.
»Dieser Dunkle hatte die Grisha schon vor meiner Geburt befehligt, und trotzdem wirkte der Mann, der vor mir auf dem Podest thronte, nicht viel älter als ich. Sein Gesicht war schön und markant, er hatte volles schwarzes Haar und klare graue, wie Quarz glänzende Augen. Es hieß, die mächtigsten Grisha lebten sehr lange, und der Dunkle war der mächtigste von allen.«
Mit ›Goldene Flammen‹ schafft Leigh Bardugo den Auftakt zu einer Fantasy-Reihe um die ›Legenden der Grisha‹, der von der ersten Seite an mitreißt und den Figuren Leben einhaucht. Dabei ist die fantastische Welt, die sie schafft, erfrischend klischeefrei. Was zu Beginn schwarz und weiß scheint, verliert bald an Klarheit. Die Ziele und Pläne der Figuren überschneiden und verwischen sich.
Fazit zu ›Goldene Flammen‹
Bardugo macht es ihren Figuren nicht leicht, sie treibt sie wiederholt zum Äußersten und lässt nicht für einen Moment Langweile aufkommen. Und doch überschlagen sich die Ereignisse mitunter so schnell, dass auch der Leser herumgewirbelt wird, bis nur noch Eines klar ist: Die nächsten Bände ›Eisige Wellen‹ und ›Lodernde Schwingen‹ müssen so schnell wie möglich erscheinen.
Buchinfo
Leigh Bardugo: Goldene Flammen Legenden der Grisha, Band 1 Roman Übersetzt von: Henning Ahrens Knaur TB Verlag, München 2020 352 S., EUR (D) 12,99 inkl. MwSt. Taschenbuch ISBN 978−3−426−52444−2
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Ich habe nie gerne Dinge weggeworfen. Irgendetwas schien stets an ihnen zu haften, das mich sie behalten vor ›Magic Cleaning‹ ließ. Manche Dinge hatte ich geschenkt bekommen und obwohl ich sie nicht verwendete – und sie mir oftmals nicht gefielen –, behielt ich sie. Immerhin waren es Geschenke und jemand hatte sich Gedanken gemacht.
Andere Dinge schienen eine Erinnerung zu tragen. Nicht unbedingt eine konkrete, eher eine Zeit, für die sie standen. Da ich oft umgezogen und auch früh von zu Hause ausgezogen bin, wurden die Gegenstände, die ich mitnehmen konnte, ein Mitnehmen der Orte, an denen sie vor meinem Umzug gewesen waren.
Und über die Zeit kamen so einige Gegenstände zusammen. Viele trugen keine konkrete Erinnerung (oder keine bedeutende), sondern eher die Angst, sie könnten etwas Wichtiges tragen.
»Doch wie eignet man sich die richtige Einstellung an? Indem man die Fähigkeit zum Aufräumen entwickelt und stärkt, denn diese Fähigkeit haben wir alle in uns.«
Somit sammelte ich nicht nur Gegenstände, sondern vor allem ›schwere‹ Gegenstände an. Ich habe mich oftmals gezwungen auszumisten, aber den durchschlagenden, anhaltenden Erfolg konnte ich nicht erzielen. Trotzdem spürte ich, dass ich dieses Thema für mich noch lösen musste, weil ich nicht von immer mehr Dingen auf enger werdendem Raum umgeben sein wollte, und versuchte erfolglos verschiedene Methoden.
Bis ich auf Marie Kondo und ›Magic Cleaning‹ stieß.
Ausmisten mit diesem Prinzip ist vielleicht nicht für alle die erste Wahl, aber für jemanden wie mich, die vor allem mit der Emotions- und Bedeutungszuordnung ihrer Gegenstände klarkommen musste, war es befreiend.
»Oft sind hier bewusste oder unbewusste Blockaden und Abwehrmechanismen dem Aufräumen gegenüber am Werk. Also muss an der inneren Einstellung zur Ordnung gearbeitet werden.«
In ihrem Buch ›Magic Cleaning‹, in dem Marie Kondo ihre KonMari-Methode vorstellt, lernt der Lesende zuerst Marie und ihre persönliche Entwicklung im Kampf gegen die Unordnung kennen. Aus den Schwierigkeiten, die ihr über die Jahre begegnet sind – selten lang anhaltende Ergebnisse und bald schon neues Ansammeln von Dingen –, schuf sie diese Methode.
Die Grundprinzipien von ›Magic Cleaning‹ sind denkbar einfach und doch ist es wichtig, sich an die Methode zu halten (zumindest habe ich dies getan). Zuerst Kleidung, dann Bücher, dann Dokumente, jetzt alles andere und zuletzt Erinnerungsstücke.
Auch innerhalb dieser Kategorien ist das Vorgehen in ›Magic Cleaning‹ simpel strukturiert, aber rigoros: alle Gegenstände einer Kategorie auf einen Berg. Alle Kleider, die man besitzt, egal, ob auf dem Speicher, in Schränken, Kisten oder vergessenen Ecken. Alle Kleider auf einen Berg und die Masse dessen, was man besitzt, auf sich wirklich lassen. Ich gehorchte. Mein Schlafzimmer wurde zu einem riesigen Berg aus Kleidung.
»Nur durch das drastische Aufräumen in einem Rutsch wird ein Bewusstseinswandel ausgelöst.«
Aus Gehorsam wurde Überforderung und tiefes Durchatmen. Sehr tiefes Durchatmen. Weitermachen. Ein Kleidungsstück nach dem anderen, jedes einmal in den Händen gehabt und mich gefragt haben, ob es mich glücklich macht und, ob es zu dem Leben gehört, das ich führen will.
Der Berg wurde zusehends kleiner und kleiner, mein Selbstvertrauen in meine Aufräumskills wuchs und zugleich ein Gespür dafür, was ich wirklich behalten wollte. Ich habe mich durch das Buch und zugleich durch meinen Besitz gearbeitet. Marie Kondos Schreibstil ist schlicht, authentisch und einnehmend. Ihre Beobachtungen sind an vielen Stellen so treffend und ihre Erklärungen motivierend.
Fazit zu ›Magic Cleaning‹
Natürlich habe ich nicht nur meine Kleider aussortiert, alle Kategorien habe ich in Angriff genommen, auch meine Bücher. Mittlerweile ist es über ein Jahr her, dass ich Marie Kondo und ihre ›Magic Cleaning‹-Methode kennengelernt und mit meinem Ausmisteprojekt begonnen hatte. Und es hat funktioniert. Ich habe mich von Schätzungsweise 70–80 % meiner Dinge getrennt, und vermisse nichts davon. Zugleich habe ich den frei werdenden Platz nicht mit neuem Kram gefüllt. Zum einen durch den Schock über die Maße an Dingen, die ich besaß, zum anderen, weil ich viel besser weiß, was ich wirklich behalten will. Ausmisten für einen freieren Blick auf die Dinge, die einem wirklich am Herzen liegen.
So ist ›Magic Cleaning‹ ein kompakter, auf den Punkt gebrachter und erfrischend geschriebener Ratgeber, der definitiv einen Versuch wert ist. Auch zum Thema Arbeit hat Marie Kondo in ›Joy at Work‹ einige Tricks auf Lager.
Buchinfo
Marie Kondo: Magic Cleaning Wie richtiges Aufräumen Ihr Leben verändert übersetzt von Monika Lubitz Rowohlt Verlage/rororo, Hamburg 2013 224 S., EUR (D) 10,- inkl. MwSt. Taschenbuch ISBN 978−3−499−62481−0
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Drei Schwestern, ihre Pseudonyme und zwei Jahrhunderte.
Als die drei Brontë-Schwester – Anne, Charlotte und Emily – die Romane dieses Schubers Mitte des 19. Jahrhunderts veröffentlichten, geschah dies unter männlichen Pseudonymen, etliche Jahre bevor ›Die großen Romane der Schwestern Brontë‹ zusammen veröffentlicht werden sollten. Charlotte war kaum 30 Jahre jung, als Jane Eyre erschien, auch Emily und Anne waren zum Zeitpunkt der Veröffentlichung von Sturmhöhe (Wuthering Heights) und Agnes Grey erst Ende 20.
Emily und Anne starben bereits wenige Jahre nach der Veröffentlichung, Charlotte sollte mit nur 38 Jahren das längste Leben unter den Geschwistern vergönnt sein.
Sturmhöhe erzählt die Geschichte des Findelkindes Heathcliff und der Tochter des Mannes, in dessen Obhut Heathcliff aufwächst – Catherine Earnshaw –, über mehrere Generationen hinweg. Die Verbindung der beiden zueinander ist stark, sie ähneln sich in ihrem Temperament, ihren Leidenschaften und ihrer Willensstärke. Doch nachdem der alte Earnshaw stirbt, ändert sich das Leben auf Wuthering Heights. Catherines Bruder Hindley setzt alles daran, vor allem Heathcliffs Leben zur Hölle zu machen. Als auch noch der zukünftige Erbe des Herrenhauses Thrushcross Grange um Catherine wirbt, brechen die Geschehnisse über den beiden herein.
Emily Brontës Roman wird von der düsteren Atmosphäre der Hochmoore von Yorkshire und der Wildheit und Leidenschaft von Heathcliff und Catherine Earnshaw getragen. Während ihre besondere Freundschaft in ihrer Jugend gedeihen kann, droht sie unter den Anforderungen des Erwachsenenlebens zu zerbrechen.
Charlotte Brontës Roman Jane Eyre ist mit Abstand der umfangreichste der drei Bände des Schubers ›Die großen Romane der Schwestern Brontë‹. Er erzählt die Lebensgeschichte der gleichnamigen Icherzählerin, die als Waise unter bedrückenden und schlechten Verhältnissen aufwächst.
Erst als ihre Vertraute, die Schulleiterin Miss Temple, das Internat Lowood verlässt, in dem Jane seit ihrer Kindheit lebt und nun als Lehrerin arbeitet, geht auch sie von dort fort. Sie tritt auf Thornfield eine Stelle als Gouvernante an. Bald entwickelt sich ein Band des Respektes und der gegenseitigen Anerkennung zwischen ihr und dem Hausherrn Mr. Rochester.
Doch immer wieder wird ihre Zeit auf Thornfield von seltsamen und unheimlichen Ereignissen unterbrochen, die bald schon nicht mehr nur zur Probe für Jane werden, sondern auch an Mr. Rochester nicht spurlos vorübergehen.
Auch Anne Brontës Roman Agnes Grey erzählt die Geschichte einer jungen Gouvernante. Doch im Vergleich zu Jane wächst Agnes in behüteten und liebevollen Verhältnissen auf und ihr Wunsch, als Erzieherin zu arbeiten, rührt vor allem da her, ihrer Familie helfen und nützlich sein zu wollen.
Doch ihre Leben als Gouvernante erweist sich als weitaus schwieriger als bislang angenommen und da ihre Schülerinnen über vollständig andere Werte verfügen, als jene, die ihr wichtig sind, vereinsamt die junge Frau zusehends. Erst in dem jungen Geistlichen, Edward Weston, scheint die junge Frau eine verwandte Seele gefunden zu haben. Doch durch die Abhängigkeit, in der sie als Gouvernante lebt, steht sie bald vor weiteren Problemen.
So unterschiedlich diese drei Romane in ›Die großen Romane der Schwestern Brontë‹ auch sein mögen, so fehlt es ihnen nicht an Gemeinsamkeiten. Jane Eyre und Agnes Grey erzählen die Geschichte einer jungen Gouvernante, die versucht einen Ort und einen Menschen zu finden, an den und zu dem sie gehört. Auch Catherine Earnshaw versucht, sich ein Leben aufzubauen, das besser ist als jenes, das sie auf Wuthering Heights führen kann. Ihre Verbindungen zu Männern werden entweder durch ihren sozialen Stand und ihre Wertevorstellungen erschwert, auf die Probe gestellt oder drohen, verhindert zu werden.
Agnes Grey zeichnet sich nicht durch die Düsternis und die unheimliche Atmosphäre aus, die in Jane Eyre und Sturmhöhe bisweilen herrscht. Und doch geben alle drei Romane in ›Die großen Romane der Schwestern Brontë‹ einen Einblick in die Schwierigkeiten von Frauen – und Männern –, denen sich diese im 19. Jahrhundert gegenüber fanden, unter Schicksalsschlägen und Entbehrungen.
Fazit zu ›Die großen Romane der Schwestern Brontë‹
Noch heute haftet den Romanen ›Die großen Romane der Schwestern Brontë‹ eine Intensität und Stimmung an, die den Leser oder die Leserin in die Welt der Romane ziehen kann: in Moorlandschaften, alte Herrenhöfe und Grafschaften. Zugleich sind ›Die großen Romane der Schwestern Brontë‹ Zeugnis der literarischen Produktion von Frauen, denen die Umstände geboten, unter männlichen Pseudonymen zu veröffentlichen. Nicht nur für Fans von Klassikern sind diese Romane ein Muss. Durch diesen wunderschönen Schuber von Reclam wird nicht nur der Inhalt zum Erlebnis, auch optisch können die Bände begeistern.
Buchinfo
Die Brontë-Schwestern: Die großen Romane der Schwestern Brontë Drei Bände im Schuber: Anne Brontë: Agnes Grey | Charlotte Brontë: Jane Eyre | Emily Brontë: Sturmhöhe Reclam, Stuttgart 2020 insgesamt 1434 S., EUR (D) 28,- inkl. MwSt. gebunden, im Schuber ISBN 978−3−15−030066−4
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Einen Drachen töten, eine seltene Blume am Fuße eines dunstverhangenen Berges finden oder ein Königreich erobern? Die großen Momente der Liebe finden sich in der Literatur aller Zeiten und Länder. Heiraten, und dann den lieben langen Tag damit zubringen, ihn sich gegenseitig zur Hölle zu machen? Auch dafür kennt die Weltliteratur vielerlei Beispiele.
Blind verstehen, dass eine Pizza gerade das Beste auf der Welt wäre, kuscheln manchmal die ganze Welt ein wenig besser macht und man auch ungeschminkt und gammelig absolut liebenswert ist, zeichnet hingegen das Bild aus, das Chetwynds liebevolle Comics von der Liebe entwerfen. Und das auf über 150 Seiten voller Comiczeichnungen der bereits aus dem Internet bekannten Zeichnerin Catana Chetwynd, deren Stil auf dem Cover zusehen ist. Wer gerne eine klarere Vorstellung der Zeichnungen bekommen möchte, wird auf der Website von Catana Comics oder der Verlagshomepage von dtv sicherlich fündig.
Chetwynds Comics in ›Die kleinen Momente der Liebe‹ sind schlicht, zeigen oftmals nicht mehr als die beiden Figuren Catana und John in ihrem Alltag und sind damit auf das Wesentliche reduziert: Die kleinen Momente der Liebe sichtbar zu machen.
Diese schöne Ausgabe von bold und dtv lädt dazu ein, allein oder mit dem Partner die Seiten zu durchstöbern und bekannte Erfahrungen in vielen der Comics zu finden: ob gemeinsame Abende daheim, zusammen Ausgehen oder Stunden allein.
Es ist schwer, anders zu können, als die beiden Comicfiguren Catana und John in ›Die kleinen Momente der Liebe‹ zu mögen und sich in ihnen wiederzufinden. Ähnlich ist es mit dem Bild von Liebe das Chetwynd hier – im wahrsten Sinne des Wortes – zeichnet. Liebe fernab der großen, heldenhaften Momente, für die der Alltag oft kaum Zeit lässt, und dafür spürbar in der eigenen Lebenswirklichkeit.
Die Liebe in den scheinbar kleinen, oft übersehenen Dingen ist es, die Chetwynd in ihren Zeichnungen einzufangen versteht: amüsant und hinreißend ehrlich.
Buchinfo
Catana Chetwynd: Die kleinen Momente der Liebe Aus dem Amerikanischen von Knut Krüger dtv, München 2020 160 S., EUR (D) 12,- inkl. MwSt. Hardcover ISBN 978−3−423−23013−1
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Ungesehen sitzt er vor dem Fenster eines Hauses und lauscht den Geschichten, die aus dem Innern zu ihm dringen. So lernt er, die Sprache der Menschen zu sprechen, zu lesen und zu schreiben.
Was bei einigen nun vielleicht Erinnerungen an den Spracherwerb von Frankensteins Monster erweckt, wird dieses Mal jedoch von einem Wesen angewandt, das um einiges kleiner ist als das Monster aus ›Frankenstein‹: Es ist ein Fuchs, der die menschliche Sprache lernt.
Fuchs 8 wird dieser besondere Fuchs genannt, denn alle Mitglieder seines Rudels tragen eine Zahl in ihrem Namen. Und dieser Fuchs ist nicht nur, wenn es um die Geschichten der Menschen geht, sehr neugierig. Seine Neugier begleitet ihn das ganze Buch über, zum Guten und zum Schlechten.
»Zuers möchte ich sagen, Enschuldigung für alle Wörter di ich falsch schreibe. Weil ich bin ein Fuks! Und schreibe oder buchstabire deshalb nich perfekk.«
Und dieser Fuchs hat einige Fragen an uns.
Fuchs 8 Art zu sprechen und zu schreiben scheint im ersten Moment gewöhnungsbedürftig, doch in Windeseile verfliegt dieser Eindruck, denn das, was dieser Fuchs zu erzählen hat, ist um einiges wichtiger, als die Wörter, in die er es kleidet. Und für einen Autodidakten ohne Gesprächspartner macht er seine Sache doch sehr gut.
»Ir solltet mal di vilen nich netten Sachen hören di ein Ber in Berisch sagt wärend er ein jakt, wärend man gerade noch um ein Har in den Bau schlüpft und versucht, vor den anderen Fülsen nich gleich loszuhoilen.«
Es ist schwer, über ein Buch zu schreiben, das einen verzaubert hat. Zuallererst will Fuchs 8 eines klarstellen: Füchse sind nicht so, wie Märchen sie darstellen, nicht listig und schlau – auch bei Bären, Eulen und vor allem Hühnern weichen unsere Märchen von seinen Erfahrungen ab.
»Wir legen keine Hüner rein! Wir sind sehr offen und erlich mit Hünern! Mit Hünern haben wir ein super fären Dil, der get so: Si machen di Aja, wir nehmen di Aja, si machen noie Aja.«
Spoiler // Dieser Fuchs lebt ein fröhliches Leben in seinem Rudel, bis ihr Wald kahl geschlagen wird, um ein Einkaufszentrum zu errichten. Und selbst dann behält Fuchs 8 seine Neugier und Offenheit und beschließt, in diesem Einkaufszentrum nach Futter zu suchen, um seine Freunde zu retten.
Fazit zu ›Fuchs 8‹
In all seiner Einfachheit und Kürze rührt George Saunders ›Fuchs 8‹. Es ist kein lautes Buch, das mit wichtig klingelnden Begriffen und Fachwörtern auf sich aufmerksam machen will, sondern ein sehr leises Buch: Fuchs 8 kann die Dinge, die er sieht und erlebt, nicht erklären. Doch er hat nach vielen, vielen Abenden vor einem Fenster die Sprache der Menschen erlernt, um seine Erlebnisse mitzuteilen und diese fragen zu können: oft amüsant und liebevoll formuliert.
Buchinfo
George Saunders: Fuchs 8 Aus dem Amerikanischen von Frank Heibert Luchterhand, München 2019 56 S., EUR (D) 12,- inkl. MwSt. Hardcover mit Schutzumschlag ISBN 978−3−630−87620−7
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Spätestens seit der Verfilmung der Marvel-Comics sind Thor, Loki, Odin und weitere Vertreter der nordischen Götter wieder im Bewusstsein von vielen. ›Nordische Mythen und Sagen‹ erscheint somit zur passenden Zeit.
Doch schon mit der ›Edda‹ liegen literarische Werke vor, die in altisländischer Sprache über die Götter und Helden erzählen: von Odin, Loki, Balder und vielen weiteren, zum Teil heute noch bekannten Figuren der Welt der nordischen Mythen.
Zwischen den Schriften der ›Edda‹ und den Comics von Marvel liegen viele, viele Jahrhunderte. Wie lange die mündliche Überlieferung der Geschichten der nordischen Götter zuvor bereits existiert hat, weiß vielleicht nur Odin selbst. Doch auch in den Jahrhunderten zwischen der Verschriftlichung der ›Edda‹ und der Wiederauferstehung der nordischen Götter durch Tom Hiddleston, Chris Hemsworth und Anthony Hopkins war es um die Götter nicht still.
›Myths of the Norsemen: Retold from the Old Norse Poems and Tales‹ von Roger Lancelyn Green, erschienen im Jahre 1960, und Werke des 1941 geborenen Autors Kevin Crossley-Holland über die nordische Mythologie haben nicht nur Neil Gaiman tief beeindruckt.
Es gibt selten Bücher, bei denen ich mich bereits in die Einleitung verliebt habe. Neil Gaiman ist das mit ›Nordische Mythen und Sagen‹ gelungen. Eine Wirkung, die auch im Verlauf des knapp 250 Seiten langen Buches nicht nachließ.
»Odin und Vili und Ve töteten den Riesen Ymir. Es musste geschehen, denn es gab keine andere Möglichkeit, die Welten zu erschaffen. Dies war der Anfang von allem, der Tod, der alles Leben möglich machte.«
Neben der Wiedergabe der alten, nordischen Geschichten gelingt es Gaiman in ›Nordische Mythen und Sagen‹, weit mehr als den Inhalt der Geschichten wiederzugeben: Er gibt die Faszination für sie weiter. Möglichst zugänglich, spannend und greifbar geschrieben, können die Geschichten der alten Götter durch ihn Leser von heute ohne Vorwissen und besondere Sprachkenntnisse erreichen und abholen in eine Welt, die noch anderen Gesetzen folgte.
»Thor sagte nichts. Er dachte an den vergangenen Abend, daran wie er mit dem hohen Alter gerungen und den Ozean getrunken hatte. Er dachte an die Midgardschlange.«
Neil Gaiman legt mit ›Nordische Mythen und Sagen‹ keine historisch-kritische Version der ›Edda‹ vor, sondern eine Nacherzählung von Geschichten, die spannend sein und unterhalten will, und dennoch den alten Göttern der nordischen Welt nah bleibt. Von Ymir bis zu Ragnarök und über all die Gestalten, die ihre Welt bevölkern.
Einige der 15 Geschichten des Buches zeichnen sich durch Witz und Humor aus, wie die Geschichten, wie Sif ihr Haar verliert oder Thor seinen Hammer. Andere hingegen werden durch Spannung und Tragik getragen, wie die Geschichten, wie Höd seinen Bruder verliert oder Tyr seine Hand.
»Die Tatsache, dass diese Welt und ihre Geschichten enden würden, und die Art, wie sie eines Tages enden und neu entstehen sollten, machte die Götter und die Riesen und alle anderen Figuren zu tragischen Helden und zu tragischen Schurken.«
Fazit zu ›Nordische Mythen und Sagen‹
Doch eines eint die Geschichten von Neil Gaiman, obwohl ihnen allen eine Art Ende innewohnt: Sie sind voller Leben und begeistern für ›Nordische Mythen und Sagen‹.
Buchinfo
Neil Gaiman: Nordische Mythen und Sagen Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von André Mumot Eichborn Verlag, Köln 2019 253 S., EUR (D) 14,- inkl. MwSt. Paperback Altersempfehlung: ab 16 Jahren ISBN 978−3−8479−0667−4
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Als Diana Wynne Jones (1934–2011) im Jahre 1986 den ersten Band der ›Howl-Saga‹ ›Das wandelnde Schloss‹ veröffentlichte, war sie im Literaturbetrieb längst keine Unbekannte mehr. Neben eigenständigen Werken der Kinder‑, Jugend- und Erwachsenenliteratur hatte sie bereits die ersten Bände ihrer ›Chrestomanci‹- und ihrer ›Dalemark‹-Serie veröffentlicht.
›Das wandelnde Schloss‹ erzählt die Geschichte der jungen Sophie Hatter, die in einem Hutladen arbeitet und besondere Hüte schneidert, bis sie eines Tages von einem bösen Fluch in eine alte Frau verwandelt wird. Sophie, die überzeugt davon ist, das nur das Unglück auf sie warte, weil sie die älteste von drei Schwestern ist, kann sich niemandem in ihrem Heimatort anvertrauen.
Sie geht fort und entschließt sich, als ihr die Strapazen ihres neuen Alters bewusst werden, zum Schloss des Zauberers Howl zu gehen, von dem behauptet wird, dass er junge Mädchen entführe und auffresse.
Doch statt auf einen menschenfressenden Zauberer zu treffen, wird sie Teil der seltsamsten und liebenswürdigsten Wohngemeinschaft, die man sich vorstellen kann.
»Was mich hergeführt hat, junger Mann?«, fragte sie. Das lag doch auf der Hand, jetzt, wo sie das Schloss gesehen hatte. »Ich bin hergekommen, weil ich deine neue Putzfrau bin, ist doch klar.«
Mit einer wohl platzierten und dosierten Portion Humor räumt Sophie Hatter in vielerlei Hinsicht in dieser neuen Welt der Zauberei auf. Umgeben von dem sich stets beklagenden Ofenfeuer, dem verliebten Lehrling des Zauberers, verfolgt von einer flotten Vogelscheuche und stets bereit, eine neue Seite an Howl kennenzulernen, findet sie weit mehr als das Unglück, das sie in ihrem Leben erwartet hatte.
Klassische Elemente der Fantastik wie die Siebenmeilenstiefel, verzauberte Gegenstände und Tiere, werden gemischt mit originellen Figuren und einer zauberhaften Schreibweise und machen so ›Das wandelnde Schloss‹ zu einem großen Vergnügen – und dies nicht nur für jene, die bereits den gleichnamigen Film von ›Studio Ghibli‹ mochten.
»Dieser Mann und dieses riesige, wichtige Ding, sein Königtum eben, kamen ihr in ihrem verwirrten Zustand vor wie zwei unterschiedliche Wesen, die nur durch Zufall denselben Sessel besetzten. Und ihr ging auf, dass sie jedes Wort der von Howl sorgsam ausgetüftelten Rede vergessen hatte.«
Der erste Band der ›Howl-Saga‹ lebt von dem Unausgesprochenem. Die Personen haben Geheimnisse voreinander, nicht alles ist leicht auszusprechen, ob durch Angst oder einen Fluch. Und obwohl die Kapitelüberschriften bereits einen Vorausblick zulassen, um zu wissen, was das Kapitel bringen wird, trägt das Unausgesprochene als Grundspannung über den Roman hinweg.
Fazit zu ›Das wandelnde Schloss‹
›Das wandelnde Schloss‹ ist eine Liebeserklärung an die Fantastik, an liebevoll entworfene Figuren mit Kanten und an kleine Helden und Heldinnen, die zusammen Großes bewirken können. Ich freue mich auf ein Wiedersehen mit Howl und Sophie in ›Der Palast im Himmel‹.
Buchinfo
Diana Wynne Jones: Das wandelnde Schloss Die Howl-Saga, Band 1 Übersetzt von Dr. Gabriele Haefs Droemer Knaur, München 2019 304 S., EUR (D) 12,99 inkl. MwSt. Roman, Paperback ISBN 978−3−426−52538−8
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